ChatGPT – warum erstmalig die Zukunft von (Medizin)Autoren ungewiss ist

Kürzlich beschäftigte ich mich mit dem von meinem Vater über bald 50 Jahren herausgegebenen und von ca. 30 Autoren mühe- und liebevoll geschriebenen Buch “Wolff/Weihrauch – Internistische Therapie”. Dieses Werk ist ein Standardwerk seines Bereichs, erscheint alle 2 Jahre neu und wendet sich an internistisch tätige Ärzte, die insbesondere die aktuellen Therapieempfehlungen nachschlagen möchten. Über 10 Jahre schrieb ich das Kapitel für die Onkologie – meinem eigenen Fach, welches ich vor 3 Jahren zugunsten der IT-Branche verließ. Alle 2 Jahre verbrachte ich so einige Tage mit der Bearbeitung meines Kapitels und las die aktuelle Literatur nach, recherchierte und fasste meine Erkenntnisse in Aktualisierungen des Kapitels zusammen.

In den 70er Jahren war die innere Medizin noch ein überschaubares Fach, weil die Möglichkeiten zur Behandlung der Erkrankungen noch recht schmal waren. Für Medizinstudenten gab es in den 60er Jahren sogar noch als Lehrwerk das “Ein-Mann Buch”, ein Buch, welches die innere Medizin und Neurologie (!) enthielt und von einer einzigen Person geschrieben war. In den letzten 25 Jahren ist das Wissen in der inneren Medizin jedoch geradezu “explodiert”, was sich eindrucksvoll bei der Onkologie durch die unzähligen neuen Therapiepfade erkennen lässt. Heute ist es kaum noch möglich, ein guter Onkologe für alle Erkrankungen zu sein, weil man nicht bei allen Tumoren up-to-date bleiben kann.

Wie kann man also mit dem Tempo der medizinischen Entwicklungen mitkommen, vor allem, wenn man große Bereiche inhaltlich abdecken möchte? Die Firma Amboss, die ein gewaltiges Online-Werk der gesamten Medizin erstellt hat und kontinuierlich erweitert, erreicht dies mit einer Herrschar von Ärzten, die in Vollzeit als Autoren arbeiten. Zusätzlich haben sie mehrere Medizinillustratoren, die Anatomiebücher (“Sobotta”) oder andere Illustrationswerke (“Netter”) obsolet werden lassen. Gestartet als Firma, die sich auf die Medizinstudenten und deren Prüfungen fokussierte, eroberte sie quasi über Nacht den Studentenmarkt (95% der Medizinstudenten Deutschlands sind Kunden) und weitet schon seit geraumer Zeit die Artikel auf Ärzte aus.

Auch der “Wolff/Weihrauch” benötigt ca. 30 renommierte Autorinnen und Autoren, die ihr Wissen auf hervorragende Weise in Zeilen kondensieren.

Und dann kam ChatGPT…

Ich muss zugeben, DALL-E, ein Produkt der Firma OpenAI hat mich schon begeistert, auch wenn die Resultate noch nicht perfekt sind. DALL-E ist eine künstliche Intelligenz, die auf Kommando Bilder “erträumt”. Diese Bilder kann man sich als Fotos als auch als Ölgemälde, Impressionismus oder jegliche andere Kunstform ausgeben lassen. Das Bild zu dem Blog-Artikel ist durch DALL-E auf meinen Befehl “Robot with speech bubble with text ChatGPT, digital art” entstanden, nicht ganz perfekt (es steht Chat statt ChatGPT in der Sprechblase).

Das ist kostenlos, schon extrem beeindruckend und lässt einem klar werden, dass die Zukunft von “Stockphoto”-Seiten angezählt ist.

Aber seit dem Launch von ChatGPT ist die Welt nicht mehr die gleiche – die Erfindung gleicht anderen bahnbrechenden Erfindungen wie dem Telefon, dem Fernsehen oder dem Internet. ChatGPT ist eine künstliche Intelligenz, die Sprache versteht, Nachfragen im Kontext begreift und Texte produziert. Das fängt mit Fragen, die man ChatGPT stellen kann, harmlos an (“wer war Albert Einstein?”) und geht bis zum automatisierten Erstellen einfacher Computersoftware auf Befehl.

Schüler schicken sich ChatGPT eine Woche nach Start als Geheimtipp, weil ChatGPT schon jetzt einen Teil der Hausaufgaben (“Schreibe eine Analyse über die Bedeutung einer Inflation!”) übernehmen kann. Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können ChatGPT geschliffene Emails an den Vermieter formulieren lassen. Die Möglichkeiten sind endlos.

Aber was bedeutet das für Medizinautoren? In einem Satz: sich Zusammenfassungen (lizenz-/rechtefrei!) formulieren zu lassen, die einen großen Teil der Arbeit überflüssig werden lassen.

Ich habe ChatGPT mit diesem Satz aufgefordert, etwas über die chronisch obstruktive Lungenerkrankung zu schreiben:

Schreib einen medizinischen Artikel über die Therapie der COPD mit Angabe von Medikamenten!

Und das hat mir ChatGPT innerhalb von Sekunden zurückgeliefert:

Chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine fortschreitende Lungenkrankheit, die durch Atembeschwerden, Husten und Auswurf gekennzeichnet ist. Die Behandlung von COPD zielt darauf ab, Symptome zu lindern und die Lungenfunktion zu verbessern. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung kann eine Therapie auch dazu beitragen, die Lebenserwartung zu verlängern.

Eine wichtige Behandlungsmöglichkeit bei COPD ist die Verwendung von Medikamenten. Dazu gehören bronchodilatierende Medikamente, die die Atemwege erweitern und somit Atembeschwerden lindern. Die am häufigsten verwendeten bronchodilatierenden Medikamente bei COPD sind lang wirkende Beta-2-Sympathomimetika (z.B. Salmeterol und Formoterol) und anticholinergische Medikamente (z.B. Tiotropium).

Um Entzündungen in den Atemwegen zu reduzieren, können auch entzündungshemmende Medikamente eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Glukokortikoide, die in der Regel in Kombination mit einem bronchodilatierenden Medikament verabreicht werden. Glukokortikoide können jedoch auch Nebenwirkungen haben und sollten daher unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.

In fortgeschrittenen Stadien der COPD kann auch die Verwendung von Sauerstofftherapie sinnvoll sein. Dabei wird dem Patienten über eine Nasenmaske oder einen Sauerstoffkonzentrator Sauerstoff zugeführt, um die Sauerstoffversorgung des Körpers zu verbessern.

Um die COPD-Symptome zu lindern und die Lebenserwartung zu verlängern, ist es wichtig, dass Betroffene ihre Behandlung regelmäßig einnehmen und sich an die Anweisungen ihres Arztes halten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der COPD kann dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Lungenfunktion zu verbessern.

Dann schrieb ich ChatGPT:

“Schreib etwas zur Diagnostik bei der COPD!”

Die Antwort:

Die Diagnose von COPD wird in der Regel anhand der klinischen Symptome und der Ergebnisse von Lungenfunktionstests gestellt. Ein wichtiger Test bei der Diagnose von COPD ist die spirometrische Messung, bei der die Lungenfunktion gemessen wird. Hierbei wird der maximale Atemfluss und die Lungenkapazität bestimmt, um festzustellen, ob eine COPD vorliegt und wie schwer sie ausgeprägt ist.

Zusätzlich können Röntgenaufnahmen der Lunge und Bluttests durchgeführt werden, um weitere Informationen über den Zustand der Lungen zu erhalten und mögliche andere Ursachen für die Atembeschwerden auszuschließen.

In fortgeschrittenen Stadien der COPD kann auch eine Lungenspiegelung (Bronchoskopie) durchgeführt werden, um die Atemwege und die Lunge genauer zu untersuchen und um festzustellen, ob es zu Veränderungen in den Lungen gekommen ist.

Insgesamt ist es wichtig, dass die Diagnose von COPD frühzeitig gestellt wird, um eine effektive Behandlung einleiten zu können und die Symptome zu lindern.

Worauf ich um folgende Ergänzung bat:

“Wie ist die Dosierung von anticholinergischen Medikamenten?”

Die Antwort:

Die Dosierung von anticholinergischen Medikamenten bei der Behandlung von COPD hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Alter des Patienten, dem Schweregrad der Erkrankung und dem individuellen Ansprechen auf das Medikament. Es ist daher wichtig, dass die Dosierung von einem Arzt festgelegt wird und regelmäßig überprüft wird, um sicherzustellen, dass sie optimal ist.

In der Regel werden anticholinergische Medikamente in Form von Inhalatoren verabreicht. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt in der Regel ein- bis zweimal täglich einen Inhalationsstoß des Medikaments. Die Dosierung kann je nach Bedarf und Verträglichkeit des Patienten angepasst werden.

Es ist wichtig, dass anticholinergische Medikamente regelmäßig und korrekt angewendet werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Patienten sollten daher genau nach Anweisung ihres Arztes verfahren und sich regelmäßig von ihrem Arzt überprüfen lassen.

Es lässt sich leicht erkennen, dass die Antworten schon nahezu “perfekt” sind. ChatGPT ist außerdem wie jede gute Software ein “work-in-progress” und wird kontinuierlich verbessert werden. Die Lernfähigkeit ist rasant und die 1 Milliarde U$ (!), die Microsoft 2019 in das Unternehmen, das Elon Musk mit anderen gegründet hat, gesteckt hat, wird die Zukunft gesichert haben.

Diese Technik zeigt, dass ChatGPT bald (1-5 Jahre?) helfen kann, die Arbeitslast der Autoren massiv zu senken und den Aktualisierungs-Zyklus zu beschleunigen. Man muss sich dann auch fragen, ob vorerstellte Therapietexte überhaupt noch notwendig sind – schließlich kann ein Arzt in Zukunft direkt ChatGPT (oder eine ähnlich KI) fragen und erhält womöglich in Sekunden eine forschungsaktuelle Antwort.

Konkret heißt das, dass ein Medizinautor im ersten Schritt ChatGPT den Artikel erstellen lassen könnte. Dann müsste er/sie diesen nur noch editieren. Der Experte bekommt durch die KI einen eigenen “Schreibassistenten” an die Seite gestellt. Je besser ChatGPT mit medizinischen Daten trainiert werden wird, desto überflüssiger wird dann womöglich auch der Experte werden.

Sollte es möglich werden, ChatGPT die gesamte Pubmed (kontinuierlich) lesen und “verstehen” zu lassen, wird man eventuell mit einer Zeile ganze Content-Firmen disruptiv ins Wanken bringen können.

“ChatGPT, schreib mir mein eigenes Amboss!”