NeuroWorx – Betrachtung von Neurobiologie für Startups – Teil 1 / Überblick
Wenn sich Gründer zusammentun, um ein Startup zu gründen oder eine Startup Firma neue Mitarbeiter einstellen, dann verlassen Sie sich bzgl. der Qualifikation der anderen auf Zeugnisse, Auswahlgespräche und “zwischenmenschliche Chemie”, was leider nicht immer zum gewünschten Ergebnis (Erfolg, Teamzusammenhalt, etc) führt.
Aber woran liegt das und wie kann man es besser machen?
Jeder Mensch ist in seinem Denken und Handeln Produkt des Neuronennetzes und der Neurobiologie seines Gehirns. Für manche Kombinationen der Hirnzusammensetzung gibt es medizinische Diagnosen, die noch nie im Arbeitsleben näher betrachtet wurden, aber m. E. eine eigene Wissenschaft für dieses rechtfertigen würden, was ich hier einmal als “NeuroWorx” bezeichnen möchte!
Ich versuche meine Erfahrungen mit meinem Wissen über verschiedene Neurotypen, Persönlichkeitsstörungen und Charaktereigenschaften zu kombinieren, um bessere Vorhersagen treffen zu können. Das möchte ich im Folgenden teilen. Ich werde dies in mehreren Teilen veröffentlichen. Im ersten Teil geht es um einen Überblick über verschiedene Neurotypen und Störungen, die das Arbeitsleben beeinflussen. In späteren Publikationen werde ich dann darüber berichten, wie man diese verschiedenen Typen erkennen kann. Weiterhin werde ich Beispiele aus der Erfahrung meines Arbeitslebens teilen.
Es gibt mehrere quasi unveränderliche neurologische bzw. psychiatrische und psychologische Eigenschaften und Diagnosen, die hier eine Rolle spielen. Sie sind entweder angeboren oder in der frühesten Kindheit erworben und sind mit heutigen Verfahren nicht umkehrbar. Explizit nehme ich psychiatrische Erkrankungen (Depression, Bipolare Störung, Psychosen, Suchterkrankung) von der Betrachtung aus.
Die hier zu betrachtenden Eigenschaften:
- Intelligenz eines Menschen
- Persönlichkeitsstörungen (Narzissmus, Psychopathie, histrionische Persönlichkeitsstörung, etc)
- ADHS und Autismusspektrum
- Extroversion / Introversion
Im ersten Teil gehe ich auf die Auswirkungen der Eigenschaften auf das Berufsleben ein. In weiteren Teilen werde ich beschreiben, wie man die Eigenschaften bei Bewerbern möglicherweise identifizieren kann.
Erfolgsfaktor Intelligenz
Der am meisten herausstechende einzelne Faktor für Erfolg im Berufsleben ist die Intelligenz. Hierüber gibt es mehrere recht eindeutige Studien, die noch einmal in verschiedene Intelligenzbereiche unterteilen (Link1 / Link2).
Insbesondere in der Kombination mit diesen 5 Eigenschaften führt eine hohe Intelligenz häufiger zum Erfolg als niedrigere Intelligenz:
- Kontaktfreudigkeit und Freundlichkeit
- Selbstvertrauen
- Offenheit für neue Erfahrungen
- Organisatorische Fähigkeiten
- Starke Kommunikationsfähigkeiten
Auf der Suche nach einer CEO Rolle würde ich also nach Menschen mit sehr hoher Auffassungsgabe und Stärken in diesen 5 Bereichen suchen. Die Rolle des CEO ist die wichtigste für das gesamte Unternehmen. Die Motivation, die Leistung, die Stimmung, das Verhalten und der Umgang miteinander werden maßgeblich direkt und indirekt von dieser Person geprägt.
So kann ein CEO sowohl durch seine/ihre Entscheidungen die Firma auf Erfolgskurs setzen als diese auch durch Streitigkeiten, Paranoia und Angst zersetzen.
Die Intelligenz ist also ein wichtiger Faktor für das Arbeitsleben – aber welche Neurotypen, Persönlichkeitsstörungen und Charaktereigenschaften gilt es darüber hinaus nun zu erkennen? Die folgende Übersicht ist sicherlich nicht vollständig, kann aber einen Einstieg in das Thema bieten.
ADHS – das Entrepreneur-Gen
Es ist heutzutage wissenschaftlich unstrittig, dass es das Aufmerksamkeitsdefizits/Hyperaktivitätssyndrom, kurz “ADHS” auch im Erwachsenenalter gibt (Lit). ADHS ist keine Erkrankung, sondern eine andersartige, genetisch veranlagte “Verschaltung” des Gehirns, bei dem manche Bereiche unterstimuliert und andere überstimuliert sind. Zusätzlich steht Dopamin den Neuronen in verminderter Menge zur Signalübermittlung zur Verfügung, was dazu führt, dass Menschen mit ADHS verstärkt auf der Suche nach einem “Kick” sind und Neues schnell interessant und verfolgenswert empfinden. Ca. 2-5% der Menschen haben ein ADHS Gehirn. Es kann vermutet werden, dass die meisten Menschen ADHS’ler waren, nämlich in der Zeit der Jäger und Sammler – bis die Menschheit sesshaft wurde. Dann wurde es wichtiger, geduldig dem Getreide beim Wachsen zusehen zu können und das Vieh zu hüten als fokussiert und in einer kurzen Kraftanstrengung das Mammut zu erlegen. “Aufmerksamkeitsdefizit” ist im Prinzip für diese Gehirneigenschaft ein falscher Begriff. Es ist vielmehr die Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit gut zu lenken. ADHS’ler sind sehr schnell durch eine Reizoffenheit abgelenkt. Haben Sie jedoch ein besonders spannendes Thema vor sich, können sie sich stärker und länger konzentrieren als ein “normaler” Mensch (=neurotypischer Mensch).
Was Menschen mit ADHS – grob vereinfacht – auszeichnet, ist eine ausgeprägte Neugierde und Suche nach Neuem, Aufregenden und auch für Extreme. Sie können häufig sehr gut außerhalb der Normen denken und revolutionäre Ideen entwickeln. Oft sind sie offen, kommunikativ und sehr energiegeladen. Gerade bei Spezialinteressen können sie eine starke Persistenz aufweisen. Die Schwächen beim ADHS sind
- hohe Ablenkbarkeit, was zur Folge haben kann, dass sie viele Projekte parallel beginnen, aber nicht zu Ende führen,
- Impulsivität und vorschnelle Entscheidungen
- dem Gegenüber ins Wort zu fallen (weil es alles zu langsam geht) und
- dass ihnen langfristiges und strategisches Planen schwer fällt.
Für einen Menschen mit ADHS gibt es quasi nur 2 Zeiten: “Jetzt” oder “nicht jetzt”. Gedanken an einen Termin in einer Woche ist für sie wie ein Blick in ein nebliges Feld. Das kann zu Problemen beim Einhalten von Terminen führen. So fangen sie oft auch erst an, Aufgaben kurz vor Deadline zu bearbeiten, denn der plötzliche psychische Druck erzeugt Adrenalin, was wiederum die Dopaminausschüttung erhöht, was wiederum die Konzentrationsfähigkeit steigert (da ADHS’ler ja in einem dauerhaften Dopaminmangel sind).
Doch es gibt auch Vorteile:
Die Energie, das Durchbrechen von gedanklichen Barrieren und Normen, die Suche nach Neuem und Aufregung, all das lässt ADHS’ler zu idealen Unternehmern werden. Es gibt viele prominente Beispiele für Unternehmer mit ADHS, nämlich Sir Richard Branson (Virgin), David Neeleman (JetBlue) oder m. E. Elon Musk (Tesla, obwohl dieser sich kürzlich als Asperger outete). Weiterhin gibt es sehr viele geniale Erfindern aus der Geschichte, von denen man annimmt, dass sie ADHS’ler waren, z. B. Leonardo da Vinci (Lit), der viele unfertige Projekte hatte, Thomas Edison (Lit) und viele mehr.
ADHS im Arbeitsleben
ADHS’ler können Innovation in die Firma bringen. Ihr Hang zu allem Neuen, ihre offene Denkweise und Flexibilität machen sie zu Mitarbeitern, die sehr gut geeignet sind als Produktmanager, Multitalente, die viele Bereiche gleichzeitig abdecken, Kreativdirektoren und Vertriebler. Sie sind meistens angenehm im Umgang, witzig, unkonventionell und wenig nachtragend. Im Notfall und unter hohem Stress blühen sie auf. Daher finden sich nicht wenige ADHS’ler unter Notärzten oder im Rettungsdienst.
Ihre Schwächen sind hingegen oft (Eigen)Organisation, Einhalten von Terminen, Einhalten von Absprachen und Fokussiertheit. So muss darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter mit ADHS nicht zu viele Projekte anfangen, ohne sie auch fertigzustellen. Häufige Unpünktlichkeit, verpasste Deadlines und Vergesslichkeit kann Kollegen nerven. Sie erledigen Aufgaben gerne “auf den letzten Drücker”.
Unternehmen, die auf starke Innovation setzen (High Tech Firmen) sind gut beraten, “wohldosiert” ADHS’ler einzustellen. Diesen sollten organisierte Mitarbeiter an die Seite (im Team oder Assistenz) gestellt werden, die auf die Einhaltung von Terminen, Deadlines und ähnliches achten.
Persönlichkeitsstörungen
“Bei Persönlichkeitsstörungen sind bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur und des Verhaltens in besonderer Weise ausgeprägt, unflexibel oder wenig angepasst. Sie gehören zu den häufigsten Diagnosen in der Psychiatrie” (Wikipedia). Persönlichkeitsstörungen entstehen in der frühen Kindheit, eine genetische Prädisposition ist vermutlich gegeben. Sie gelten als nicht oder schlecht therapierbar. Etwa 10% der Bevölkerung haben eine Persönlichkeitsstörung.
Wenn man es mit einer/m unangenehmen Kollegen/in zu tun hat, der/die regelmäßig Dinge tut, die von den sozialen Konventionen abweichen und damit dem Betriebsklima und der Firma schadet, liegt häufig eine Persönlichkeitsstörung vor. Der oft herablassend agierende, arrogante Chef, die manipuliative und intrigante Personalerin, der oberlehrerhaft agierende Controller – viele von ihnen haben möglicherweise eine Persönlichkeitsstörung, die allen im Umfeld das Leben schwer machen.
Ich gehe im Weiteren auf die Persönlichkeitsstörungen ein, die den meisten Einfluss auf das Arbeitsleben haben.
Narzistische Persönlichkeitsstörung
“Die narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch einen Mangel an Empathie, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und gesteigertes Verlangen nach Anerkennung aus. Menschen mit dieser Störung können jedoch leistungsstark (in Schule, Beruf, Hobby) sein und haben bisweilen gepflegte und statusbewusste Umgangsformen. Betroffene sind häufig sehr stolz und besitzen eine hohe Anspruchshaltung an sich selbst. Betroffene zeigen ein meist ausbeutendes Verhalten und einen Mangel an Empathie. Es können wahnhafte Störungen mit Größenideen auftreten.” (Wikipedia)
Jeder Mensch verfügt über einen gewissen Grad an Narzissmus, d. h. um eine “Begeisterung für das eigene Selbst, die eigenen Leistungen”. Ein gesundes Maß an Narzissmus kann allzu großen Selbstzweifeln, Unterwürfigkeit und sozialer Angst entgegenwirken – der Mensch kann sich besser gegenüber anderen Menschen “abgrenzen”.
Narzissmus ist also ein lineares Kontinuum und keine “an/aus” Eigenschaft. Im Übermaß ist Narzissmus jedoch schädlich, v. a. für das Umfeld und die Mitmenschen.
Von allen Persönlichkeitsstörungen sehe ich diese als problematischste für das Berufsleben an und möchte vorab dazu raten, Menschen mit NPD nicht einzustellen bzw. rasch aus der Firma zu entfernen, wenn sie durch ihr Verhalten auffallen.
Man unterscheidet zwei Typen von NPD, nämlich die extrovertierten, grandiosen, charismatischen Narzissten (wie Trump) und die “covert narcissists”, die verdeckten Narzissten, die kühlen Kalkulatoren (wie Putin).
Das Problem ist, dass Narzissten ein chamäleonartiges Verhalten aufweisen. Sie können extrem charmant, nett und zuvorkommend sein und ihr Verhalten nach Situation und Gegenüber anpassen. Narzissten sind oft sehr ehrgeizig, so dass sie zunächst als fleißige, engagierte Mitarbeiter beeindrucken. Zu ihren Vorgesetzten sind sie oft überfreundlich, während sie Untergebene manipulieren und misshandeln. Narzissten verwenden viel Energie darauf, das eigene Bild im besten Licht erscheinen zu lassen und gleichzeitig ihre Mitmenschen zu manipulieren.
Narzissten sind primär ihrem eigenen Vorteil verpflichtet und sehen Mitmenschen und die Firma als nachrangig an. Ihnen mangelt es an Empathie, so dass sie sich nicht in ihre KollegInnen reinversetzen und Verständnis für Fremdbedürfnisse zeigen können. Regeln, die für andere gelten (und die sie teilweise selbst aufgestellt haben), gelten nicht für sie. Im Englischen bezeichnet man das als “feeling of entitlement”, also dass sich Narzissten quasi “berufen” fühlen und ihren Status generell als höher einschätzen als den anderer Menschen. Sie kommen zu spät zu einem Termin mit einem Narzissten? Da kann sie schon mal ungehalten reagieren – kommt sie dagegen zu spät, wird sie das nonchalant übergehen.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist für mich daher ein absolutes (und nicht bloß relatives) Ausschlusskriterium für einen Mitarbeiter. Die Firma wird am Ende doppelt bezahlen aufgrund eines schlechten Betriebsklimas, ggf. manipulierter Arbeit, rechtlicher Probleme uva.
Hinzu kommt, dass Narzissten dem Umfeld sehr viel Energie entziehen – Narzissten sind “Energievampire”. Das passiert dadurch, dass sie durch manipulatives Verhalten immer wieder Gleichgewichte, die sich in der Firma etabliert haben, aus dem Lot bringen, manchmal einfach zum eigenen Vergnügen und Genugtuung. Diese Gleichgewichte müssen dann wieder mit Energieaufwand von anderen Mitarbeitern korrigiert werden. Das kann zu betriebswirtschaftlich relevantem Schaden führen und auch zur Störung des Teamgeists und der Teamzusammensetzung.
Zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung
“Die anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständige Kontrollen, allgemein große Vorsicht und Starrheit in Denken und Handeln, die sich als Unflexibilität, Pedanterie und Steifheit zeigt. Typisch ist die übermäßige Beschäftigung mit Details und Regeln, so dass die eigentliche Aktivität oftmals in den Hintergrund tritt. Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen. Die Fähigkeit zum Ausdruck von Gefühlen ist häufig vermindert. In zwischenmenschlichen Beziehungen wirken Betroffene dementsprechend kühl und rational. Die Anpassungsfähigkeit an die Gewohnheiten und Eigenheiten der Mitmenschen ist eingeschränkt. Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung sind meist übermäßig leistungsorientiert und perfektionistisch. Daher erweisen sie sich im Arbeitsleben als fleißig, übermäßig gewissenhaft und übergenau, wobei der überstrenge Perfektionismus die Aufgabenerfüllung mitunter verhindert. Ihre Angst vor Fehlern behindert die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen. Etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung ist von einer anankastischen Persönlichkeitsstörung betroffen.” (Wikipedia)
Dieser Text aus Wikipedia beschreibt diese Persönlichkeitsstörung ausreichend, um zu verstehen, welche Folgen dies im Startup haben kann. Ein Mensch mit anankastischer Persönlichkeitsstörung ist vermutlich am besten im Finanz-Controlling, Vertragsmanagement oder der Buchhaltung aufgehoben und nicht im kreativen Bereich. Ich sehe diese Persönlichkeitsstörung nicht als generellen Ausschlussgrund an. Pedanten können ggf. ein Gegengewicht zu euphorisch-optimistischen ADHS’ler (z. B. im Management) bilden und diesen zu mehr Form verhelfen.
Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung
“Die passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch ein tiefgreifendes Muster negativistischer Einstellungen und passiven Widerstandes gegenüber Anregungen und Leistungsanforderungen, die von anderen Menschen kommen. Sie fällt insbesondere durch passive Widerstände gegenüber Anforderungen im sozialen und beruflichen Bereich auf und durch die häufig ungerechtfertigte Annahme, missverstanden, ungerecht behandelt oder übermäßig in die Pflicht genommen zu werden.” (Wikipedia)
Wie fast alle dieser Persönlichkeitsstörung muss diese nicht direkt nach der Einstellung auffallen, zumal Mitarbeiter in der ersten “onboarding-Phase” im Startup sich noch verstellen können. In der täglichen Routine werden aber dann ihre Schwächen immer offensichtlicher. Das passiv-aggressive Muster könnte erstmalig in Erscheinung, wenn z. B. Sie als Kollege begeistert von einem Erfolg in der Firma berichten und der Mitarbeiter als erstes “das Haar in der Suppe findet” und Ihnen entgegensetzt, was eigentlich alles im Unternehmen nicht gut läuft. Passiv-aggressive Mitarbeiter werden immer wieder ihr generell negatives Gefühl in der Firma herumtragen und Einzelgespräche mit anderen Mitarbeitern nutzen, um “mal Klartext über die Missstände in der Firma” anzusprechen, aber ohne unbedingt lösungsorientiert vorzugehen. Sie sehen sich als diejenigen, die alles eigentlich besser wissen und alles besser machen würden, wenn man sie nur ließe. Sie initiieren gerne, was umgangssprachlich als “Flurfunk” bezeichnet wird, also eine Parallelkommunikation und eine Parallel-Realität, die sie mit Mitarbeitern, die sich darauf einlassen, teilen.
Wenn Sie einen passiv-aggressiven Mitarbeiter auf seinen Negativismus ansprechen, wird er ggf. in die Abwehr gehen und entweder alles abstreiten oder “klein beigeben”, aber Ihnen erklären wollen, warum seine “Sorgen” völlig berechtigt sind. Er wird sich als von Ihnen nicht verstanden darstellen. Sie werden aber, auch wenn der Mitarbeiter Ihnen zustimmt und Besserung gelobt, in nicht allzu ferner Zukunft wieder mit ihm beim Mitarbeitergespräch sitzen, weil sich die Persönlichkeitsstörung gegen jede Vernunft durchgesetzt haben wird.
Passiv-aggressive Mitarbeiter sind in einem Startup ungeeignet, weil sie das Betriebsklima verdeckt und empfindlich stören und Strategien unterwandern können. In Kombination mit ihrem Glauben, dass sie verkannte Genies sind, lässt sich mit Ihnen keine Lösung finden oder nur unter erhöhtem Energieaufwand.
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung zeigen ein übermäßiges Misstrauen gegenüber ihren Mitmenschen mit der unbegründeten Annahme, diese würden ihnen schaden, betrügen oder ausspionieren wollen. Sie suchen nach Beweisen möglicher Herabsetzungen, eines vermuteten Hintergehens und nach versteckten Botschaften, die ihren Verdacht erhärten.
Sie können streitsüchtig sein und egozentrisch. Handlungen und Äußerungen ihrer Mitmenschen interpretieren sie oftmals als feindlich. Die Persönlichkeitsstörung führt dazu, dass die Betroffenen kein Vertrauen zu ihren Kollegen aufbauen können und eine enge Beziehung nicht eintritt. Sie werden sich nur schlecht in ein Team integrieren können und erzeugen durch ihr permanentes Misstrauen eine unangenehme Atmosphäre. Menschen mit dieser Störung sind für ein Startup, bei dem sich jeder auf jeden verlassen können sollte, nicht geeignet.
Es gibt weitere Persönlichkeitsstörung, die ich für die Startup-Welt nicht erwähnenswert finde. Es sei nur kurz erwähnt, dass die “antisoziale Persönlichkeitsstörung” m. E. es eher nicht in die höheren Berufe schafft (daher nicht Startup-relevant) und ich bei der ängstlich-vermeidenden und bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung keine generelle Einschränkung zum Einsatz in Startups sehe.
Hochfunktionaler Autismus / Asperger Autismus
Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die in schwerer Ausprägung zur erheblichen Einschränkung mit kognitiver Minderung und einem nicht unabhängigen Leben führen kann.
Im Gegensatz fallen hochfunktionale Autisten oder Menschen mit dem “leichteren” Asperger Autismus nicht unbedingt in der Interaktion mit anderen Menschen auf. Zur Diagnose werden vor allem 3 Kriterien herangezogen:
- Defizite bei der sozialen Interaktion und Austausch
- Repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten, z. B. unflexibles Festhalten an Routinen, stark begrenzte Interessen mit hoher Intensität
- Auffälligkeiten in der verbalen und nonverbalen Kommunikation
Konkret bedeutet das, dass Menschen mit Autismus im Arbeitsleben von ihren Kollegen aufgrund ihrer andersartigen Wahrnehmung und nicht erwarteten “normalen” sozialen Verhalten oftmals als “seltsam” empfunden werden und “anecken” können. Autisten haben nämlich Schwierigkeiten, nonverbale Kommunikation wie Mimik und Körpersprache korrekt zu verstehen als auch bei gesprochenem “zwischen den Zeilen zu lesen”. So kann es sein, dass sie Ironie und Sarkasmus gar nicht verstehen. Wenn also ein Vorgesetzter genervt die Augenbraue hebt oder skeptisch schaut, kann das einem Autisten entgehen, der dann womöglich völlig unangemessen reagiert. Dadurch können Autisten als empathielos, verletzend und unsensibel wahrgenommen werden. Small Talk ist liegt ihnen gar nicht, so dass sie als hölzern oder verschlossen erscheinen können, wenn man mit ihnen erstmalig in Kontakt treten möchte. Dazu im Gegensatz können sie sich – auf ihre Spezialthemen, an denen sie ein hohes Interesse haben – zu langen Vorträgen hinreißen lassen, die ggf. als der Situation unpassend ankommen können.
Was dabei leicht übersehen werden kann, ist dass Autisten genauso wie alle anderen Menschen “dazugehören möchten” und sie selbst merken, dass sie andersartig sind, was bei ihnen eine oft vorbestehende soziale Phobie noch verstärken kann.
Ohne hochfunktionalen Autismus wäre die Welt nicht die, die sie ist. Denn unter den Autisten sind/waren Größen wie Isaac Newton, Bill Gates, Elon Musk, Albert Einstein, Jane Austen uvm.
Für die Arbeitswelt können Autisten aber auch einige Vorteile gegenüber neurotypischen Menschen bieten.
Dazu zählen u. a.
- Intelligenz und großes Wissen – Hochfunktionale Autisten sind oftmals überdurchschnittlich intelligent und können durch ein hohes Spezialwissen punkten. Sie haben oft ein sehr gutes Gedächtnis und können sich gut an Details erinnern.
- Einzigartiges Denken – Autisten können sehr kreativ und innovativ sein.
- Hohes Maß an Konzentration – Autisten können sich – auch bei repetitiven und langatmigen Aufgaben – über die Maßen gut konzentrieren mit einem starken Durchhaltevermögen und bringen die Aufgaben zu Ende (großer Unterschied zu ADHS).
- Perfektionismus und Detailtreue – Autisten sind oft Perfektionisten und haben eine Gabe, Details gut zu erkennen. Dadurch eignen sie sich beim Aufspüren von Fehlern oft als Softwaretester, Lektor/Korrekturleser oder Übersetzer.
- Logisches Denken – Autisten werden weniger als neurotypische Menschen von Emotionen in ihrer Meinung und Analyse beeinflussen. Dadurch können sie besesr logische und objektive Schlussfolgerungen ziehen.
- Verlässlichkeit/Loyalität – Autisten widerstrebt es zu lügen. Außerdem haben sie oft einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie möchten stets das richtige in allen Situationen tun. Durch ihr fokussiertes Denken fühlen sie sich oft ihrer Arbeit verpflichtet und sind verlässliche und loyale Kollegen. Durch ihre – teils irritierend starke Ehrlichkeit – kann man sich auf die Dinge verlassen, die sie sagen, egal, welche Person beim Thema involviert ist (was wieder zum “Anecken” führen kann, weil sie keine “weiße Lügen” im Beisein eines narzisstischen Chefs verwenden).
Wenn Autisten Mitarbeiter in einem Unternehmen werden, ist es m. E. von Vorteil, wenn sie mit der Diagnose offen umgehen, um die anderen, neurotypischen Kollegen über die Andersartigkeit vorab zu informieren, so dass es für beide Seiten weniger Irritationen gibt.
Zu beachten ist z. B., dass Autisten zwar “gerne dabei sind”, aber nicht gerne im Mittelpunkt stehen. Man sollte also vorab besprechen, ob es für den Mitarbeiter ok ist, ihn in einer großen Runde dem Team vorzustellen oder lieber in Einzelgesprächen. Außerdem sollte man Autisten freistellen, ob sie an sozialen Events wie z. B. Betriebsausflug, Mittagessen oder dem Feierabendtreffen wirklich teilnehmen möchten. Auch Präsentationen vor einem Auditorium sollten Ihnen nicht aufoktruiert, sondern abgestimmt werden.
Neben den o. g. Symptomen gibt es viele weitere Phänomene, die typisch beim Autismus sind, z. B. die Reizfilterschwäche. Diese führt dazu, dass Umgebungsreize wie Geräusche, Gespräche, helles Licht, ungeordnete, spontane Prozesse auf sie einprasseln und ihr Gehirn diese nicht – wie bei neurotypischen Menschen – abfängt, bevor sie die Großhirnrinde und damit das Bewußtsein erreichen.
Das führt dazu, dass Autisten sich gerne abschirmen von zu viel Lärm und Umgebungsgeräuschen sowie von zu grellem Licht. Man sollte ihnen anbieten, auch mit (noise-cancelling-)Kopfhörern zu arbeiten oder in ruhigerer Atmosphäre. Aus Erfahrung erkläre ich Autisten (und auch Mitarbeitern mit Angststörungen), dass sie jederzeit die Freiheit haben, bei Überforderung – nach Abmelden – den Arbeitsplatz zu verlassen und nach Hause zu gehen. Das befreit sie von einem Druck, der sich oftmals bei solchen Störungen aufbaut. Ist der Druck nicht da, gewinnt man durch diese Maßnahmen extrem loyale und fleißige Mitarbeiter.
Ein Vorteil ist meiner Ansicht nach auch, dass Sie beim Autisten sicher sehr selten einen “geschwätzigen” Mitarbeiter haben werden, der lieber auf dem Flur andere Mitarbeiter durch private Kommunikation von der Arbeit abhält.
Introversion / Extraversion
Zum Abschluss dieses Artikels wenden wir uns einer Persönlichkeitseigenschaft zu, die wir alle haben und die durch zwei entgegengesetzte Pole bzgl. der Interaktion mit unseren Mitmenschen charakterisiert ist: Introversion (introvertiert) und Extraversion oder Extravertiertheit (extravertiert). “Dabei beschreibt die Introversion eine nach innen gewandte Haltung, während Extraversion eine nach außen gewandte Haltung darstellt, jeweils mit entsprechendem Verhalten verbunden.” (Wikipedia)
Man kann vereinfacht sagen, dass Introverten bei sozialer Interaktion Energie verbrauchen, während Extroverten bei dieser Energie gewinnen oder zumindest nicht verlieren. Das erklärt, warum Introverten nach einem intensiven sozialen Ereignis Zeit mit sich brauchen, um zu regenerieren, während Extroverten mit wenig Kontakt eher verkümmern. Beide Typen (wobei es sich hierbei wie oft in der Biologie sicherlich um ein Kontinuum handelt) sind vermutlich angeboren und haben neurobiologisch ein Korrelat, d. h., es ist keine “einfache Psychologie”, sondern eine unterschiedliche Struktur/Biologie des Gehirns (Lit). Studien zeigten, dass Introvertierte die COVID-Pandemie mit Lockdowns als weniger anstrengend empfanden als Extrovertierte.
Im Arbeitsleben gibt für beide Typen natürlich Stärken und Schwächen. Während Extrovertierte dabei punkten, besser auf Kollegen zuzugehen, sich in Teams zu integrieren, selbstsicherer zu erscheinen, charismatischer zu sein, können Introvertierte oft balanciertere Entscheidungen treffen und lassen sich weniger von Meinungen anderer beeinflussen, können kritischer denken und gut zuhören.
Es ist offensichtlich, dass es für Bereiche wie Vertrieb oder Sekretariat von Vorteil ist, auf extrovertierte Menschen zu setzen, die offen und gerne auf Kunden zugehen, charismatisch sind. Dagegen ist es bei der Softwareentwicklung häufiger, auf introvertierte Mitarbeiter zu treffen, die lieber ihre geistige Energie auf stille Denkarbeit richten, als den ganzen Tag zu reden.

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